Der BGH hat mit Urteil vom 04.07.2019 festgestellt, dass bei einer Werbung mit Prüfsiegel es entscheidend darauf ankommt, dass das geprüfte Produkt tatsächlich durch einen neutralen Dritten nach objektiven Kriterien überprüft worden ist und es für die Neutralität unbeachtlich ist, dass ein Entgelt für die Durchführung der Prüfung bezahlt wurde.
Der beklagte Industrieverband hatte ein Gütesiegel herausgegeben. Das von Gütesiegel wurde auf der Grundlage der von dem Industrieverband selbst erstellten Güterichtlinien vergeben. Im Rahmen des Streits sollte dem Verband untersagt werden, dieses Gütesiegel zu verwenden, da der angesprochene Verkehr bei der Werbung mit Gütesiegeln erwarte, dass dieses von einer objektiven, neutralen und außerhalb des Gewinnstrebenden stehenden Stelle aufgrund einer Prüfung und Qualitätsüberwachung vergeben werde. Ein Gütesiegel müsse den Anforderungen des RAL (RAL deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.). Im vorliegenden Fall seien diese Vorgaben nicht erfüllt. Darüber hinaus werde das Gütesiegel nur an eigene Mitglieder des Verbandes vergeben.
In erster Instanz wurde die Klage bereits abgewiesen. Das OLG bestätigt die Entscheidung und stellt im Rahmen einer intensiven Beschäftigung mit der aktuellen Rechtslage in Bezug auf Gütesiegel heraus, dass durch die Einführung einer Gewährleistungsmarke auf europäischer Ebene die ältere Rechtsprechung des BGHs zum Gütesiegel überholt sei. Die neu eingeführte Gewährleistungsmarke übernehme quasi durch die gleichen Funktionen wie ein Gütezeichen das Gütesiegel, sodass eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs bereits dann ausscheide, wenn das Gütesiegel die Vorgaben der Unionsmarke erfüllten.
Dieser Ansicht teilte der BGH nunmehr eine Absage und stellte fest, dass seine bisherige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen zur Werbung mit Gütesiegeln nach wie vor gültig sei. Im Rahmen der Entscheidung betont er, dass Voraussetzung für die Werbung mit einem Gütesiegel sei, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbenen Waren nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen überprüft habe. Insofern sei aus Sicht des angesprochenen Verkehrs wichtig, dass die überprüften Eigenschaften für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften bestätigt würden. Daher komme eine Irreführung über die Werbung mit einem Gütesiegel nach wie vor in Betracht, wenn die Prüfeinrichtung nicht über eine hinreichende Neutralität verfüge.
Hierbei schade allerdings die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder Verleihung des Siegels grundsätzlich nicht. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei vielmehr die Tatsache, dass die Überprüfung einer neutralen Stelle anhand von objektiven und aussagekräftigen Kriterien durchgeführt worden sei, diese Kriterien transparent gemacht werden müssten. Hierfür sei eine allgemeine Zugänglichkeit der Überprüfungskriterien zwingend notwendig, wozu die Instanzgerichte keine Feststellung getroffen hatten. Vor diesem Hintergrund verwies der BGH die Entscheidung des OLG Düsseldorf zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück.
Fazit:
Die Entscheidung knüpft an die bisherige Rechtsprechung des BGHs zur Werbung mit Prüf- und Gütesiegeln an. Der BGH betont ausdrücklich die weitere Geltung seiner Rechtsprechungen in der Entscheidung „LGA tested“, über welche wir bereits berichtet haben. Erfreulich ist die Klarstellung in Bezug auf die Zahlung einer angemessenen Prüfgebühr, welche die Neutralität der zugrundeliegenden Prüforganisation nicht beeinträchtige. Entscheidend ist nach dem Urteil des BGHs nach wie vor die Einhaltung von objektiven und aussagekräftigen Prüfkriterien, welche dem angesprochenen Verkehr auch zugänglich gemacht werden müssen. Insofern hat sich an der diesbezüglichen rechtlichen Bewertung auch durch die in der Zwischenzeit eingeführte Gewährleistungsmarke auf Europäischer Union nichts geändert.