BGH: Keine Haftung für Kundenbewertungen

Der BGH hat mit Urteil vom 20.02.2020 entschieden, dass ein Online-Händler keine Haftung für Kundenbewertungen seiner Produkte auf Amazon übernehmen muss.

Geklagt hatte im konkreten Fall der Verband Sozialer Wettbewerb e.V.. Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes, die sie in der Vergangenheit damit beworben hatte, dass diese Tapes zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Genau diese Aussage in der Werbung hatte der Kläger gegenüber der Beklagten beanstandet, da die schmerzlindernde Wirkung nicht ausreichend medizinisch belegt sei und die Werbung deshalb irreführend sei und gegen das Wettbewerbsrecht verstoße.

Daraufhin hatte die Beklagte eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben. Die Beklagte bot ihre Kinesiologie-Tapes Artikel weiterhin auf Amazon an, jedoch ohne die beanstandete Werbung in ihrer Anzeige aufzunehmen. Vielmehr waren unter dem Angebot Kundenbewertungen abrufbar, die auf die schmerzlindernde Wirkung des Kinesiologie-Tapes, hinwiesen.

So bewerteten die Kunden das Produkt mit „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“.

Diese Bewertungen waren dem Produkt der Beklagten von Amazon automatisch zugewiesen worden. Der Grund dafür liegt in dem Verfahren wie Amazon Produkte von verschiedenen Händlern mit derselben EAN (European Article Number) unter derselben ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) zusammenfasst. Damit soll sichergestellt werden, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter angezeigt werden. Nachdem der Käufer ein Produkt bewertet, weist Amazon eine solche Bewertung, ohne nähere Prüfung, den unter der entsprechenden ASIN geführten Produkten zu. Dies führt dazu, dass die Bewertungen zu einem Bestimmten Produkt, bei allen Anbietern angezeigt werden, unabhängig davon, bei welchem Anbieter das Produkt tatsächlich gekauft wurde.

Hierin sah der Kläger einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung und forderte von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Beklagte habe nach Ansicht des Klägers die Kundenbewertungen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Die Löschung der Kundenrezensionen hatte Amazon auf Anfrage der Beklagten abgelehnt.

In den beiden Vorinstanzen wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Kundenbewertungen zwar irreführend seien, sie jedoch keine Werbung darstellten, der Beklagten aber zumindest nicht zuzurechnen seien.

Dieser Ansicht ist nun auch der BGH gefolgt. Die Kundenbewertungen seien zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte habe mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Sie habe weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch habe sie sich die Kundenbewertungen zu Eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen habe. Die Kundenbewertungen seien vielmehr als solche gekennzeichnet, fänden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und würden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet.

Den Kunden treffe weiter auch keine Rechtspflicht, die irreführenden Kundenbewertungen zu verhindern. Besonders deutlich hob der BGH hervor, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht seien und verfassungsrechtlichen Schutz genössen. Der Wunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehörten, zu informieren oder auszutauschen, werde durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt. Eine Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, welches einen Grundrechtseingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit rechtfertigen würde, sah der BGH nicht für nötig, da keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass die angebotenen Kinesiologie-Tapes gesundheitsgefährdend sein könnten.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH stärkt die Stellung der Händler. Soweit ein Online-Händler lediglich im Rahmen seines eigenen Online-Shops oder auf einer Plattform Kundenbewertungen für seine Produkte oder Dienstleistungen erhält, ohne dass er diese gezielt veranlasst oder diese in der Werbung bewusst herausstellt, muss er für etwaige Unrichtigkeiten der Kundenaussagen nicht einstehen. Die diesbezügliche Klarstellung ist erfreulich. Die Grenze der Unzulässigkeit verläuft wie nach der Pressemitteilung des BGHs deutlich wird dann, wenn wie leider so häufig auf den großen Online-Plattformen Kundenbewertungen gezielt gekauft oder veranlasst werden oder aber benutzt wurden, um diese in der Werbung für die Produkte des Händlers herauszustellen.

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