BGH: Zum Schadenersatz des unberechtigt Abgemahnten

Der BGH hat mit Urteil vom 19.09.2019 festgestellt, dass ein Unternehmen keinen Schadenersatz wegen einer unberechtigten Abmahnung fordern kann, wenn es daraufhin den Produktvertrieb freiwillig und vorschnell eingestellt hat, da es in diesem Fall ein überwiegendes Mitverschulden an der Entstehung der entsprechenden Schäden trägt.

Im konkreten Streitfall ging es um die Verwendung eines bestimmten Motivs auf einer Grußkarte. Dieses wurde wegen verschiedener behaupteter Verletzungen, unteranderem Marken-, Urheber- und Geschmacksmusterrechten angegriffen und abgemahnt. Das abgemahnte Unternehmen wies gleichwohl die Abmahnung als unbegründet zurück und erhob negative Feststellungsklage, um feststellen zu lassen, dass dem Angreifer die im Wege der Abmahnung geltend gemachten Rechte nicht zustehen. In Folge dessen wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Abmahnung unberechtigt war und dem Angreifer die in der Abmahnung geltend gemachten Rechte tatsächlich nicht zustehen und er dem abgemahnten Unternehmen die durch die Abmahnung entstandenen Schäden zu ersetzen habe.

Im Anschluss behauptete das abgemahnte Unternehmen nunmehr einen Schaden in Höhe von knapp 82.000 € aufgrund eines entgangenen Gewinns und eines Aufwendungsersatzanspruchs durch die unberechtigte Abmahnung.

Der Schadenersatzanspruch wurde durch den BGH zurückgewiesen. Maßgebliches Argument war die Tatsache, dass das abgemahnte Unternehmen trotz der Zurückweisung der Ansprüche und der weiteren Produktion der Grußkarten nach dem Zugang der Abmahnung den weiteren Verkauf eingestellt habe, obwohl noch kein Verbot vorlag und der weitere Verkauf problemlos möglich gewesen wäre. Aufgrund der Gesamtbewertung dieser Umstände sei die Einstellung des Verkaufs nicht nachvollziehbar. Dieses freiwillige Verhalten sei als Form des Mitverschuldens maßgeblich für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem entgangenen Gewinn ursächlich.

Fazit:

Der BGH nimmt im Rahmen der Entscheidung eine erfreuliche Klarstellung zu einer seit langem umstrittenen Frage vor. So führt die bloße Abmahnung mit der Behauptung von Ansprüchen nicht automatisch dazu, dass bei einer mangelnden Berechtigung zur Abmahnung etwaige Schadenersatzansprüche von dem abmahnenden Unternehmen geltend gemacht werden können, wenn er den Produktvertrieb freiwillig einstellt. Hier obliegt es vielmehr dem abgemahnten Unternehmen neben der Zurückweisung der Ansprüche auch weiterhin die angegriffenen Produkte zu vertreiben. Die Konsequenz der Entscheidung ist, dass im Falle des Erhalts einer Abmahnung das abgemahnte Unternehmen stets sämtliche Möglichkeiten einer erfolgreichen Verteidigung überprüfen und auch durchführen sollte. Wird vorschnell ein weiterer Vertrieb der Produkte aufgrund der behaupteten Rechtsverletzung eingestellt, kann im Nachgang kein diesbezüglicher entgangener Gewinn oder Schaden aufgrund der Vertriebseinstellung mehr geltend gemachten werden.

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