OLG Frankfurt: Verteilen von Handzetteln vor Geschäft eines Mitbewerbers ist wettbewerbswidriges Abfangen von Kunden

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 6. Oktober 2016 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass eine Mitbewerberin keine Werbemaßnahmen einer Wettbewerberin in einem bestimmten Umkreis ihres Geschäfts verhindern kann, allerdings verlangen kann, dass keine Werbung im Einfahrtsbereich ihres Geschäfts an im Stau stehende Autofahrer verteilt wird.

Die Parteien betreiben jeweils Geschäfte mit identischem Warenangebot. Die Geschäftsbetriebe befinden sich in ca. 400 m Entfernung voneinander. An einem wichtigen Umsatztag im Dezember 2015 verteilte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin auf sowie an der Straße, an der sich das Geschäft der Antragstellerin befindet, Handzettel an Autofahrer, die wegen eines Rückstaus in diesem Bereich zum Teil standen.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Eilantrag zunächst beantragt, der Antragsgegnerin das Verteilen von Handzetteln im Umkreis von 100 m um den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Nach gerichtlichem Hinweis hat sie ihren Antrag auf das Verteilen der Handzettel in der Einfahrt des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin und durch gezieltes ansprechen Kunden der Antragstellerin eingeschränkt. In diesem Umfang wurde das Verbot per Urteil durch durch das Landgericht bestätigt.

Das OLG hat das Verbot bestätigt und betont, dass nach neuerem Wettbewerbsrecht das Abwerben von Kunden zum Wesen des Wettbewerbs gehöre und nur dann verboten werden könne, wenn sich der der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stelle, um diesem eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen. Hierzu müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Die angesprochenen Kunden müssten bereits dem Mitbewerber zuzurechnen sein.

2. Auf diese Kunden müsste in unangemessener Weise eingewirkt werden.

Der Senat bejaht die auf dem Zufahrtsweg zum Geschäft der Antragstellerin befindlichen Personen als Kunden, da auch vorgelagerte geschäftliche Entscheidungen, wie das Betreten eines Geschäftslokals erfasst würden. Unerheblich sei, dass an diesem Weg noch weitere Betriebe, z.B. eine B-Schule und ein C-Studio, angesiedelt seien, da die Antragsgegnerin sämtliche Kunden, die auf dem Weg zur Antragstellerin waren, erreiche und die Aktion offensichtlich darauf abziele.

Als unangemessene Einwirkung ließe der Senat das Verteilen von Handzetteln in unmittelbarer Nähe zum Mitbewerber allein nicht ausreichen. Allerdings liege in der Verteilung an die im Stau stehenden Autofahrer eine unzumutbare Belästigung, welche sich aufgrund der Verkehrslage dem Ansprechen und der Zettelverteilung nicht entziehen könnten. Nach Ansicht des Senats liege es nahe, dass viele Autofahrer den Handzettel allein deshalb entgegennehmen, um nicht unhöflich zu erscheinen. Andere hätten Sorge, im Fall des Ignorierens beschimpft oder anderweitig stärker bedrängt zu werden.

Fazit:

Die Entscheidung des OLG entspricht den Liberalisierungstendenzen der letzten UWG-Reformen. Auch wenn es aus Sicht des Handels wünschenswert wäre existiert keine „Bannmeile“ oder eine „wettbewerbsfreie Sphäre“ im direkten Umfeld des eigenen Geschäfts. Daher wird das Abfangen von Kunden nach der Intention des reformierten UWG nur dann verboten, wenn über die bloße Werbung hinaus unlautere Mittel wie unrichtige Angabe über den Mitbewerber, Belästigungen der Kunden oder sonstige unlautere Mittel zum Einsatz kommen. Insofern ist auch die ältere Rechtsprechung zum Abfangen von Kunden nach aktueller Rechtslage nicht mehr anzuwenden.

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