Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 21.02.2019 entschieden, dass bei der Anzeige von Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste zur Benutzung einer Fremdmarke keine Markenrechtsverletzung vorliege. In dieser Entscheidung stellt sich das OLG gegen sein Urteil vom 11.02.2016 für eine identische Fallkonstellation und beruft sich auf die in der Zwischenzeit ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Ortlieb“.
Im zugrundeliegenden Streitfall ging es um die Benutzung der eingetragenen Marke „Lamzac“ des niederländischen Unternehmens Fatboy. Unter dieser eingetragenen Marke vertreibt Fatboy eine Luftliege, deren Formgebung auch designrechtlich geschützt ist. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit Amazon ging es um die Anzeige von verschiedenen Wettbewerbsprodukten bei Benutzung der Marke „Lamzac“ als Suchwort. Hier kamen in der Trefferliste bei Eingabe der Marke „Lamzac“ zahlreiche Wettbewerbsprodukte zum Vorschein, welche im Übrigen auch noch das zugrundeliegende Design der Luftliege verletzten, die unter der Marke „Lamzac“ angeboten wurde. Neben der Original Luftliege „Lamzac“ erschienen ausschließlich designrechtsverletzende Wettbewerbsprodukte bei Eingabe der Marke „Lamzac“. Als erstes Wettbewerbsprodukt erschein eine als „Original“ gekennzeichnet rechtskräftig verbotene Luftliege unter dem Namen „LayBag“.
In einer nahezu identischen Konstellation zu der Marke „Fatboy“ hatte das OLG Frankfurt noch mit Urteil vom 11.02.1016 entschieden, dass der angesprochene Verkehr bei Eingabe der Marke „Fatboy“ erwarte ausschließlich Markenprodukt des Unternehmens „Fatboy“ in der Trefferliste zu erhalten. Dieser im Grundsatz existierenden Erwartungshaltung könne nur durch klare und eindeutige Hinweise in der Trefferliste zu den Wettbewerbsprodukten Rechnung getragen werden, wobei Angaben von Produkteigenschaften wie Größe, Material und Farbe ebenso wie eine Handelsmarke nicht geeignet seien.
In der aktuellen Entscheidung korrigiert nunmehr das Oberlandesgericht Frankfurt seine Meinung unter Berufung auf die in der Zwischenzeit vorgenommene Rechtsprechung des BGH „Ortlieb“. Hiernach führt das OLG Frankfurt aus, dass der deutsche Endverbraucher in der Zwischenzeit wisse, dass von Suchmaschinen auf Online-Shops und Verkaufsplattformen wie Amazon nicht immer bei der Eingabe von Marken tatsächlich ausschließlich Markenprodukte in der Trefferliste angezeigt würden. Ausgehend von diesem Erfahrungswissen reichen Hinweise in der Überschrift der angezeigten Wettbewerbsprodukte in der Trefferliste nach Ansicht des OLG Frankfurt auf unterschiedliche Namen gekennzeichnet „von“ „LayBag“ aus, um zu verdeutlichen, dass diese Produkte nicht von dem Markeninhaber, sondern von einem anderen Hersteller angeboten würden. Wenn Wettbewerbsprodukte mit unterschiedlichen Namen und dem Hinweis „von“ in der Trefferliste erscheinen, habe der Suchende keine Veranlassung zu der Annahme, es bestünden wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Markeninhaber und den Anbietern der Wettbewerbsprodukte. So sei dem Suchenden zwar bekannt, dass auch Markenprodukte unter sogenannten „Zweitmarken“ anderer Anbieter im Markt angeboten würde, eine solche Annahme liege jedoch bei einer Vielzahl von Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste wie in der vorliegenden Fallgestaltung fern.
Auch sei die Tatsache, dass ausschließlich designrechtsverletzende Produkte in der Trefferliste erschienen und hierbei eine rechtskräftig verbotene designverletzende Luftliege mit dem „Original“ beworben sei, kein Grund für eine andere Bewertung, da designrechtliche Aspekte im Rahmen der Suche von Markenprodukten für den Verbraucher grundsätzlich keine Rolle spielen würden außer das zugrundeliegende Design sei außerordentlich bekannt. Ausgehend hiervon sah es das OLG Frankfurt entgegen seiner vormaligen Rechtsansicht nunmehr als zulässig an, dass bei Eingabe einer Marke als Suchwort auf Amazon auch Wettbewerbsprodukte in der Trefferliste angezeigt werden.
Fazit:
Das OLG Frankfurt korrigiert seine vormalige Rechtsprechung unter Hinweis auf den in der Zwischenzeit durch den BGH in der Entscheidung „Ortlieb“ aufgestellten Erfahrungssatz, dass der deutsche Verbraucher im Rahmen seiner Suche auf einer Verkaufsplattform wie Amazon grundsätzlich wissen solle, dass er bei Eingabe einer Marke nicht nur Produkte des Markeninhabers in der Trefferliste finde, sondern auch Wettbewerbsprodukte. Insofern soll es nach Ansicht des BGH ausreichend sein, wenn die Wettbewerbsprodukte mit einer abweichenden Marke im Vergleich zu der Marke angeboten würden, zu welcher die Trefferliste im Rahmen der Suche erscheint.
Dieser durch den BGH aufgestellte Erfahrungssatz ohne entsprechend etatsächliche Grundlagen überzeugt in keiner Weise. Dies gilt auch für die bemühte Rechtsprechung zum Keyword-Advertising. Hintergrund ist die Tatsache, dass in der Trefferliste auf Amazon.de ähnlich wie im Bereich der Suchmaschine Google inzwischen Werbeanzeigen eingeblendet werden können und dies in einer als Anzeigenform gekennzeichneten Art und Weise getrennt von der eigentlichen Trefferliste. Allein vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung des Erfahrungssatzes meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt, dass der angesprochene Verkehr wisse, dass in der Trefferliste selbst Wettbewerbsprodukte angezeigt würden.
Auch die insofern vorgenommene Unterscheidung zwischen Online-Shops und Verkaufsplattformen wie Amazon auf der einen und der Internetsuchmaschine auf der anderen, wo angeblich andere Erwartungshaltungen geltend sollen, als im Rahmen der Verkaufsplattform überzeugen nicht. So geht das hiesiger Erfahrung der angesprochene Verkehr zunehmend dazu über, auf bekannten Verkaufsplattformen wie Amazon seine Suche zu gestalten und nicht mehr auf Google, da er weiß, dass er über die Verkaufsplattform schneller zu einem möglichen Verkauf kommen kann, als bei der bloßen Suchmaschine.
Darüber hinaus überzeugen auch die Argumente des OLG Frankfurt in der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Dies gilt insbesondere für die in sich unschlüssige Argumentation zur mangelnden Täuschung über eine mögliche wirtschaftliche Verbindung oder eine Zustimmung zum Vertrieb der Wettbewerbsprodukte unter einer Zweitmarke. In der vorliegenden Fallgestaltung waren in der Trefferliste nicht nur ausschließlich designrechtsverletzende Produkte aufgezeigt, sondern auch eine Anzahl von ungefähr 10 Produkten. Sollte man die Ansicht des OLG konsequent fortführen, würde die Anzeige von einem oder zwei Wettbewerbsprodukten bei Benutzung einer Marke als Suchwort eine Rechtsverletzung darstellen, nicht hingegen jedoch die Anzeige von mehr Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste.
Auch vor dem Hintergrund der mangelnden Überzeugungskraft der Argumente des OLG ist momentan festzustellen, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt auf der Linie der jüngeren Entscheidung der Oberlandesgerichte nach der Entscheidung des BGH „Ortlieb“ liegt. Hier scheint die Tendenz leider eindeutig in die Richtung zu gehen, die Benutzung von Marken als Suchwort auf der Verkaufsplattform „Amazon“ ähnlich wie im Bereich des Keyword-Advertising bei Google grundsätzlich zuzulassen. Die Folge ist, dass über die markenrechtlichen Grundsätze die Anzeige von Wettbewerbsprodukten auf Verkaufsplattformen oder Online-Shops offenbar zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr untersagt werden kann. Insofern bleibt die weitere Entwicklung, insbesondere im Bereich der Reform des Wettbewerbsrechts abzuwarten, da im Rahmen der Reform des Wettbewerbsrechts eine Offenlegung bezahlter Werbung mit einer eindeutigen Kennzeichnung beabsichtigt ist und insofern über die Hintertür des Wettbewerbsrechts die vorliegenden Fälle der Benutzung von Fremdmarken auf Verkaufsplattformen für die Anzeige von Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste doch wieder anders beurteilt werden könnte. In der Zwischenzeit ist die unglückliche Situation für die Rechteinhaber eingetreten, dass die Ausnutzung der Marken im Rahmen der Verkaufsplattformen zu Werbezwecken für Wettbewerbsprodukte nicht über die markenrechtlichen Grundsätze verboten werden können.