Markenrechtliche Grundsatzentscheidung gegen Amazon

Am 11. Februar 2016 hat das OLG Frankfurt eine Grundsatzentscheidung im Markenrecht zur Produktsuche auf Amazon erlassen. In der Streitigkeit ging es um die Frage, ob die Anzeige von Wettbewerbsprodukten neben den Markenprodukten in der Trefferliste zu der Eingabe einer Markenbezeichnung in der Suchmaske von Amazon eine Markenrechtsverletzung darstellt.

Im Streitfall informierte das niederländische Unternehmen Fatboy Amazon zunächst darüber, dass bei Eingabe des Suchwortes „Fatboy“ in die Suchmaske in den Suchergebnissen auch Sitzsäcke angezeigt wurden, die nicht von Fatboy stammen. Amazon weigerte sich jedoch geeignete Schutzmaßnahmen hiergegen zu ergreifen und führte an, dass keine Nutzung der Marke durch Amazon vorliege, da die eingesetzte Suchsoftware ausschließlich die Voranfragen und das Suchverhalten der Nutzer bei Amazon auswerte und mit in die Trefferliste aufnehme. Daraufhin reichte Fatboy am 24. Januar 2015 Klage beim Landgericht Frankfurt am Main ein und nahm Amazon aufgrund der Kenntnis von der aus Sicht von Fatboy vorliegenden Markenverletzungen dahingehend in Anspruch, geeignete Schutzmaßnahmen gegen zukünftige Anzeigen von Wettbewerbsprodukten bei der Sucheingabe zu Fatboy vorzunehmen.

Ausgangspunkt des erstinstanzlichen Verfahrens war die Auseinandersetzung über die Frage, ob der Online Kunde bei der gezielten Eingabe der Marke als Suchwort in die Suchmaske ausschließlich die Anzeige der Markenprodukte in der Trefferliste erwartet, ähnlich der Trefferliste bei der Internetsuchmaschine Google oder ob ihm grundsätzlich bewusst ist, dass auf der Plattform Amazon nach eigenen Ausführungen der Rechtsabteilung „sowieso alles Werbung sei“ und der Kunde daher auch mit angezeigten Drittprodukten rechne. Darüber hinaus verteidigte Amazon die Einblendung von Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste auch mit einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes zu App Stores, in welcher der Senat die Buchung des Keywords „Elite Partner“ durch den Mitbewerber Parship und die daraus resultierende Anzeige der App von PARSHIP bei Eingabe von „Elite Partner“ in die Suchmaske des App Stores als zulässig bewertete.

Das Landgericht Frankfurt verurteilte Amazon zur Vornahme geeigneter Maßnahmen zur zukünftigen Beseitigung der vorliegenden Markenverletzung und stützte die Entscheidung im Wesentlichen auf die Verwechslungsgefahr. Das Gericht machte deutlich, dass entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Erwartungshaltung des Internetbenutzers sowohl bei Internetsuchmaschinen als auch in dem Bereich der Online Shops bei Eingabe einer Marke grundsätzlich dahingehend bestehe, in der Trefferliste ausschließlich Markenprodukte angezeigt zu bekommen. Diese im Grundsatz existierende Erwartungshaltung könne in Einzelfällen durch klare und eindeutige Hinweise innerhalb der Trefferliste nach Ansicht des LG ausgeschlossen werden, was aber mehr erfordere als die Angabe von Produkteigenschaften wie Größe, Material und Farbe sowie einer Handelsmarke. Die Rechtsprechung zu App Stores sei nach Ansicht des Landgerichts aufgrund der unterschiedlichen technischen Ausgangslagen nicht anwendbar, zumal nach Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichtes im Gegensatz zur Marke Fatboy für Sitzsäcke die Marke „Elite Partner“ einen hohen beschreibender Anklang für Partnervermittlungsdienstleistungen besitze und es insofern auch einem Mitbewerber möglich sein muss, einen solchen Begriff als Keyword für Anzeigen zu nutzen.

Amazon legte gegen das Urteil Berufung ein. Das Oberlandesgericht lehnte die Begründung des Urteils des Landgerichts im Hinblick auf die Verwechselungsgefahr ab, bestätigte aber im Ergebnis die Verurteilung aufgrund der identischen Verwendung der Marke für nicht von der Markeninhaberin stammen Produkte (Dopplidentität). Im Übrigen sei auch das neben der Trefferliste befindliche Auswahlmenü, dass sich nicht selbst erkläre ebenso wenig wie die Inhalt der Trefferliste nicht geeignet eine Fehlvorstellung darüber auszuschließen, die angezeigten Wettbewerbsprodukte würden unter eine Zweitmarkenstrategie günstiger durch den Markeninhaber angeboten. Dies gelte insbesondere für den Preis, die Artikelnummern sowie die Produktbilder. Der Senat stellt fest, dass bei Eingabe der Marke Fatboy in die Suchzeile diese oberhalb der Trefferliste mit dem Zusatz „Treffer“ identisch wiederholt werde, so dass es auf die Frage der Verwechslungsgefahr anhand der Inhalte der Trefferliste nicht mehr ankomme. Daher wertete der Senat die Benutzung der Marke „Fatboy“ als Überschrift in dem Zusammenhang mit den Treffern als markenmäßige Benutzung für die gesamte darunter eingeblendete Trefferliste. Darüber hinaus bestätigte er die grundsätzliche Erwartungshaltung des Internetbenutzers bei Eingabe einer Marke als Suchwort. Hier diene die Marke gerade dazu Markenprodukte als Suchergebnis herauszufiltern. Im Vergleich zu der „realen“ Verkaufswelt erwarte der Kunde nach Ansicht des Senates bei der Frage nach Produkten der Marke im Kaufhaus, dass ihm der Verkäufer nur die Markenprodukte und keine Wettbewerbsprodukte zeige. Im Gegensatz hierzu stelle die Trefferliste von Amazon die ungefragte Präsentation von Wettbewerbsprodukte auf die gezielt Frage nach Markenprodukten im Kaufhaus dar. Die Revision wurde nicht zugelassen. Auch die angeführte Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Hamburg „Elite Partner“ führt aus Sicht des Oberlandesgerichtes Frankfurt nicht zu einer anderen Bewertung, da bei der rechtlichen Bewertung zu berücksichtigen war, dass die Marke „Elite Partner“ aus 2 hochgradig beschreibenden Wörtern „Elite“ und „Partner“ für Partnervermittlungsleistungen bestand, die auch für Mitbewerber benutzbar bleiben müssten.

Fazit:

Im Ergebnis ist erfreulich, dass auch Amazon trotz seiner Marktmacht sich an die allgemeinen Spielregeln des Markenrechtes wie andere Online Shops oder Internetsuchmaschinen zu halten hat.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist die erste Entscheidung eines deutschen Oberlandesgerichtes zur Frage der Markenverletzung bei der Benutzung einer Marke als Suchwort auf der Plattform Amazon und der Einblendung von Markenprodukten neben Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste.
Das Oberlandesgericht Köln hatte zuvor mit Urteil vom 20. November 2015 zur Verwendung der Marke „Maxnomic“ als Suchwort und der Anzeige von ausschließlich Wettbewerbsprodukten ohne Markenprodukte bereits eine Verantwortlichkeit im Falle der Kenntnis von Amazon aufgrund der angenommenen Markenverletzung zur Vornahme von geeigneten und zumutbaren Schutzmechanismen festgestellt. Der Senat hat auch in dieser Entscheidung die Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Frankfurt gestützt und in dem Bereich der Erwartungshaltung betont, dass bei Eingabe einer Marke als Suchwort der Internetbenutzer grundsätzlich erwarte, nur Markenprodukte in der Trefferliste zu erhalten, soweit kein ausdrücklicher aufklärender Hinweis wie sinngemäß „ihre Suche ergab keine Treffer folgende Produkte könnten sie auch interessieren“ erscheint. Allerdings hatte das Oberlandesgericht Köln im Rahmen eines obiter dictums noch ausgeführt, dass eine andere Beurteilung dann möglich sei, wenn in der Trefferliste nicht nur ausschließlich Wettbewerbsprodukte, sondern auch Markenprodukte wie in der zu Grunde liegenden Entscheidung des OLG Frankfurts erschienen.

Darüber hinaus ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Verfahren vor dem OLG München anhängig, bei dem es um die Benutzung der Marke „Ortlieb“ als Suchwort sowohl in der Suchmaschine Google als auch auf der Online Plattform Amazon ging. Hier hat das Landgericht München I mit Urteil vom 18. August 2015 ebenfalls eine Markenverletzung aufgrund der Doppelidentität und der Kennzeichnung der gesamten Trefferliste unter der Wiederholung der Marke Ortlieb angenommen.

In dem Bereich der Verkehrserwartung entspricht die Entscheidung den grundsätzlichen Ausführungen des BGH zur Erwartungshaltung bei Eingabe von Marken in die Internetsuchmaschine Google seit der Entscheidung „Impuls“. Dementsprechend ist sowohl die Entscheidung des Oberlandesgerichtes als auch deren Konsequenz zu begrüßen. So hat Amazon vergeblich versucht, sich einen eigenen rechtsfreien Raum zu schaffen, in dem aus Sicht des Internetbenutzers alles Werbung ist, ohne dass die bisherige markenrechtliche Rechtsprechung eingreift. Selbstverständlich ist Amazon als Plattformbetreiber grundsätzlich nicht originär für Markenverletzungen Dritter verantwortlich, sondern erst nach vorhergehender Information. Das Berufen auf die eingesetzte Suchmaschine mit der automatischen Auswertung von Voranfragen ist spätestens seit der Entscheidung des Pressesenates des BGH „Autocomplete“ nicht mehr möglich. Darüber hinaus hat Amazon auch verschiede Ausweichmöglichkeiten. So kann neben der Sperrung von entsprechenden Wettbewerbsprodukten innerhalb der Trefferliste auch eine Umgestaltung der Anzeige der gesamten Suchmaske vorgenommen werden. Wenn Amazon sich schon auf die AdWord Rechtsprechung bei Google beruft, so sind auch die entsprechenden Vorgaben zu einer klaren und räumlichen Trennung und einer Kennzeichnung von Drittanzeigen wie bei Google ohne weiteres möglich und zumutbar. Inwieweit eine bloße Umgestaltung der Hinweise oberhalb der Trefferliste ausreichend ist, hat der Senat ausdrücklich offen gelassen. Bei einer doppelidentischen Markenverletzung dürfte dies nicht der Fall sein, da solche aufklärenden Hinweis nur in dem Bereich der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen wären.

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