OLG Stuttgart: „Schadstofffreie Matratze“ irreführende Werbung, wenn nach OEKO-TEX-Standard keinerlei Weichmacher, Flammschutzmittel oder Pestizide enthalten sind

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.10.2018 die Werbeaussage „schadstofffreie Matratze“ des Anbieters bett1.de als wettbewerbswidrig verboten, da bei dem Verbraucher der unrichtige Eindruck entstehe, das Produkt sei gänzlich frei von sämtlichen Schadstoff-Belastungen.

Der Anbieter bett1.de warb für sein Produkt mit der Aussage:

„Eine rundherum saubere Sache
Der BODYGUARD ist eine schadstofffreie Matratze und wurde nach OEKO-TEX-Standard in der strengsten Klasse 1 geprüft. Das Ergebnis: Er enthält keinerlei Weichmacher, Flammschutzmittel oder Pestizide.“.

Das OLG Stuttgart verurteilte Bett1 zur Unterlassung, da die Matratzen Elemente wie Antimon, Formaldehyd, Arsen und Quecksilber enthalten.

Das Argument, dass der Untersuchungsbefund der Stiftung Warentest den Matratzen kein Schadstoff im Matratzenmaterial, wie Weichmacher, Flammschutzmittel oder Pestizide bestätigte ließ der Senat nicht gelten.

Der Verbraucher gehe aber bei der Aussage „schadstofffreie Matratze“ davon aus, dass das Produkt komplett ohne jeden Schadstoff sei. Dabei sei der Begriff „Schadstoff“ aus der Perspektive eines Laien zu beurteilen. Es sei somit nicht auf ein konkret vorhandenes Gefährdungspotential abzustellen, sondern vielmehr auf die abstrakte Eignung zur Schädigung der Gesundheit des Verbrauchers. Dies decke sich auch mit dem offensichtlichen Zweck der Werbung. Denn die Beklagte habe extra den Hinweis auf eine Schadstofffreiheit aufgenommen, um ihre Ware als besonders hochwertig erscheinen zu lassen. Der Verbraucher erwarte daher mehr als die bloße Überprüfung nach dem OEKO-TEX-Standard.

Es sei auch unerheblich, ob die vorhandene Konzentration von Schadstoffen in Fachkreisen als zu vernachlässigend angesehen werde, so das Gericht weiter. Denn der Verbraucher müsse diese Risikoabschätzung von Fachleuten nicht teilen. Vielmehr sei er befugt, autonom zu urteilen und eine eigene Bewertung vorzunehmen.

Dies gelte insbesondere für den Bereich der Schadstoffbelastungen. Hier habe ein erheblicher Teil der Verbraucher in den zurückliegenden Jahrzehnten eine gegenüber Grenzwerten kritische Grundhaltung entwickelt und suche Qualitätsstandards selbst jenseits des wissenschaftlich Vernünftigen. Auch einen solchen Entscheidungsprozess schütze das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Fazit:

Die Entscheidung liegt auf der Linie der sehr strengen Entscheidungen der Instanzgerichte zu umweltbezogenen Werbungen. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH die Möglichkeit erhält zu den Erwartungen des Verbrauchers bei umweltbezogenen Werbeaussagen Stellung zu nehmen. Unserer Erfahrung nach werden insbesondere Werbungen mit einer absoluten Umweltfreundlichkeit oder Schadstofffreiheit nach wie vor verboten, da diese eine absolute Umweltverträglichkeit suggerieren, welche es nach den Ausführungen der Gerichte nicht gibt, da beispielsweise die Rohstoffe den üblichen Schadstoffbelastungen ausgesetzt sind. Ein solch strenger Maßstab ist meines Erachtens gleichwohl nicht mit dem Verbraucherleitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers in Einklang zu bringen, der eben diesen Aspekt kennt und weiß, dass es absolute Umweltfreundlichkeit nicht gibt und daher auch nicht darüber getäuscht werden kann. Bis zu einer möglichen Klärung empfehlen wir gleichwohl Abstand von Werbungen mit einer absoluten Umweltfreundlichkeit oder Schadstofffreiheit zu nehmen.

 

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