Neue Grundsätze der Blickfangrechtsprechung

„Von Schlafzimmer komplett“ bis „All Net Flat“ – alles wie gehabt?

Der BGH hat sich mit einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung mit Urteil vom 15. Oktober 2015 „All Net Flat“ erneut mit den Grundsätzen zur Blickfangrechtsprechung beschäftigt und in dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass die Aufklärung einer durch eine blickfangartig herausgestellte Werbeaussage ausgelösten Fehlvorstellung in der Werbung ohne Teilnahme am Blickfang nur unter eng begrenzten Ausnahmeregelungen für langlebige und kostspielige Produkte ausgeschlossen werden kann, wenn die aufklärenden Texte kurz und eindeutig zu erkennen sind. Insofern hat er selbst die im Zuge der Entscheidung „Schlafzimmer komplett“ mit Urteil vom 18. Dezember 2014 gelockerten Grundsätze als Ausnahmeregelungen wieder eingeschränkt.

Was war passiert:

Ein Möbelhaus hatte in einer Beilage zu einer Tageszeitung ein 20-seitiges Werbeprospekt geschaltet, in welchem auf einer Doppelseite ein Schlafzimmer unter der blickfangartig hervorgehobenen Überschrift „komplett“ und den darunter angeordneten Bullet-Points „Drehtürenschrank, Doppelbett und Nachtkonsolen“ mit einem ebenfalls blickfangartig hervorgehobenen Preis i.H.v. € 1.999,- und der nochmaligen Wiederholung der Bezeichnung „Schlafzimmer komplett“ in einem gelb hinterlegten Einklinker geworben und in unmittelbarer räumlicher Nähe hierzu am unteren Ende der zweiten Seite am Ende ein aus drei Zeilen bestehenden Textes darauf hingewiesen, dass keine Lattenroste, Matratzen, Spiegeltüren, Beimöbel und Deko im Rahmen dieses Komplettangebotes enthalten sind. Nachstehend haben wir einen Auszug aus der streitgegenständlichen Werbung zu Vereinfachungszwecken beigefügt.

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Der BGH hat die Grundsätze der Blickfangrechtsprechung zusammengefasst und Grundsätze betont, dass die herausgestellte und blickfangartig hervorgehobene Aussage keine unrichtige Angabe enthalten darf. Soweit der Blickfang lediglich eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, muss nach den Ausführungen des Senats diese Fehlvorstellung grundsätzlich durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat. Dieser muss der hervorgehobenen Werbeaussage eindeutig zuordenbar, leicht erkennbar und gut lesbar sein. Soweit wie in der Werbepraxis üblich ein aufklärender Zusatz in einem Hinweis mit einer Sternchenfußnote enthalten ist, kommt es für die Frage, ob die Fehlvorstellung durch den Erläuterungstext beseitigt werden kann, auf die Größe des Sternchens und der Schrift des Hinweises sowie die gesamte Gestaltung der Werbeanzeige an. In der Entscheidung „Schlafzimmer komplett“ fand sich ein solcher Sternchenhinweis nicht. Trotzdem hat der BGH in seinem Urteil betont, dass auch ohne einen solchen Sternchenhinweis eine Fehlvorstellung des Verbrauchers dann ausgeschlossen werden kann, wenn in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der blickfangartig hervorgehobenen Aussage ein erläuternder Hinweis vorhanden und die Werbeanzeige für langlebige und kostspielige Produkte wie in der vorliegenden Fallgestaltung für Schlafzimmermöbel geschaltet ist.

Als Begründung dient dem Senat der Erfahrungssatz, dass sich der Verbraucher bei langlebigen und kostspieligen Produkten nicht nur flüchtig mit der Werbung, sondern eingehender beschäftigt, so dass er die Aufklärung wie in der vorliegenden Fallgestaltung den Ausschluss der Lattenroste, Matratzen und sonstigen angegebenen Produkte problemlos erkennen kann. Mit dieser Entscheidung lockert der BGH erstmals seine Rechtsprechungsgrundsätze zur Blickfangrechtsprechung, ohne sich intensiv hiermit auseinander zu setzen.

Dies geschieht nunmehr nach knapp 1 jähriger Verzögerung durch das Urteil vom 15. Oktober 2015 „All Net Flat“. Hier wurde in einem zweiseitigen Werbeblatt blickfangartig hervorgehoben mit der „All Net Flat“ und einem Preis von € 19,90 geworben, wobei auf der S. 1 der Leistungsumfang der Flatrate mit „alle Gespräche ins nationale Festnetz und alle deutschen Handynetze sind inklusive“ beschrieben wurde. Am Ende der Seite 2 der Werbung wurde innerhalb von 10 unterschiedlichen in sehr kleiner Schrift gehaltenen Sternchenhinweise mit viel Text unter anderem erläutert, dass Service- und Sondernummern sowie Auskunftsdienst nicht von der Flatrate umfasst sind.

Aufgrund der konkreten Gestaltung hat der BGH bestätigt, dass die zu kleinen Hinweise auf S. 2 und der zu klein gestaltete Sternchenhinweis nicht geeignet sind, die Fehlvorstellung des Verbrauchers aufzuklären, dass innerhalb der beworbenen „All Net Flat“ auch Service-, Sonderrufnummern sowie Auskunftsdienstleistungen erfasst seien. Hierbei betont der Senat, dass sowohl der Sternchenhinweis aufgrund der zu geringen Schriftgröße leicht zu übersehen ist und im Übrigen aufgrund der Erläuterung des Leistungsumfangs auf S. 2 und der Vornahme der erläuternden Ausschlüsse erst auf S. 2 diese Gestaltung nicht geeignet sei, den Irrtum des angesprochenen Verkehrs aufzuklären. Im Rahmen der Urteilsbegründung stellt der BGH klar, dass seine gelockerten Grundsätze im Rahmen der Entscheidung „Schlafzimmer komplett“ aufgrund der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eine absolute Ausnahme darstellen, welche nicht dazu führen dürfen, dass der Anspruch des Verbrauchers auf ausreichende Information ausgehöhlt werde. Insofern betont er ausdrücklich, dass für die Aufklärung innerhalb des sonstigen Werbetextes ohne direkte Verbindung zum Blickfang Voraussetzung ist, dass sich der Verbraucher intensiv mit der Werbung beschäftige, so dass ausschließlich langlebige und kostspielige Wirtschaftsgüter hiervon umfasst sind. Darüber muss auch die konkrete Gestaltung der Werbung kurz und übersichtlich sein, um dem angesprochenen Verkehr die leichte Möglichkeit zur Kenntnisnahme der aufklärenden Hinweise zu ermöglichen.

Fazit:

Die Klarstellung des BGH in der neuen Entscheidung „All Net Flat“ sind in jedem Fall zu begrüßen. Sie sind interessengerecht, da gerade in dem Bereich der Werbung für Telekommunikationsdienstleistungen oder Handyverträge die konkrete Gestaltung der Werbung auch unter Verwendung von Sternchenhinweisen dem Verbraucher kaum die Möglichkeit bietet, die umfassenden Ausnahmen mit sehr klein geschriebenem Text am unteren Ende der jeweiligen Werbung leicht und eindeutig zu vermitteln. Hier ist der Regelfall, dass durch die blickfangartige Hervorhebung eine besonders attraktive Leistung versprochen wird, welche dann durch das Kleingedruckte beschränkt wird. Des Weiteren lehrt gerade in dem Bereich der nicht alltäglichen Verbrauchsgüter die Erfahrung, dass sich der interessierte Verbraucher intensiver mit der jeweiligen Werbung beschäftigt. Gleichwohl ist auch in diesem Bereich immer noch eine übersichtliche und kurz gestaltete Werbung notwendig. Sämtliche dieser Fragen sind reine Einzelfallwertungen, so dass aufgrund unserer intensiven Erfahrungen im Zusammenhang mit Werbungsprüfung vor jeder wichtigen Werbung ein fachkundiger und mit den Fragen des Werberechts intensiv beschäftigter Rechtsanwalt über den Layout Entwurf schauen und diesen frei geben sollte. Hierbei gilt der Grundsatz je kürzer und eindeutiger die Werbebotschaft auch in dem Bereich der aufklärenden Hinweise ist, desto geringer die Angriffsmöglichkeit.

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