Die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat am 06.07.2023 in mehreren Urteilen über Persönlichkeitsrechtsverletzungen von transsexuellen Frauen auf sozialen Netzwerken sowie in journalistischen Beiträgen entschieden, dass die geschlechtliche Identität Teil der zu achtenden Persönlichkeit eines Menschen ist, jedoch nicht jede darauf bezogene, abwertende Äußerung per se unzulässig ist.
Vielmehr liege eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, wenn nach umfassender Würdigung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Äußerung der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Transfrau gegenüber dem Recht auf Meinungsäußerung der Presse oder des Netzwerknutzers überwiegt.
„#DubistEinMann“
In diesem Verfahren hatte die Antragstellerin, Transfrau und Aktivistin für trans Rechte, auf Twitter um Unterstützung für das sog. Selbstbestimmungsgesetz geworben. Dazu veröffentlichte die Antragsgegnerin einen Kommentar mit dem Zusatz:
„#DubistEinMann“.
Der Eilantrag der Antragstellerin gegen diesen Kommentar wurde heute zurückgewiesen. Das Landgericht erkannte darin eine Meinungsäußerung, weil der wertende Charakter im Vordergrund stehe. Eine ablehnende, polarisierende Haltung zum Einsatz für das Selbstbestimmungsgesetz und zur Transgeschlechtlichkeit im Allgemeinen werde daraus deutlich.
„#DubistEinMann“ beinhalte aber weder eine Schmähkritik noch eine Beleidigung. Bei der Abwägung der Meinungsfreiheit der Nutzerin gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass der Kommentar im Kontext der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über den Entwurf für ein sog. Selbstbestimmungsgesetzes erfolgt sei.
Das Hashtag-Zeichen verdeutliche das, denn es werde auf Twitter verwendet, um unter einem Schlagwort Diskussionen zu eröffnen. „#DubistEinMann“ sei auch bereits zuvor auf Twitter genutzt worden. Obwohl das Wort „du“ die betroffenen transsexuellen Personen in besonders herausfordernder Form personalisiere, beziehe es sich hier nicht auf eine bestimmte, individuelle Person. Die Verwendung dieses Hashtags sei eine zulässige Meinungsäußerung im Rahmen der öffentlichen Diskussion.
„Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“
Die transsexuelle Antragstellerin dieses Verfahrens trägt im Personenstandsregister den Eintrag „weiblich“ und lebt seit 40 Jahren als Frau. Sie war gerichtlich gegen eine Äußerung des Antragsgegners vorgegangen, hatte jedoch später auf etwaige Unterlassungsansprüche verzichtet.
Daraufhin veröffentlichte dieser auf seinem Blog einen Artikel mit der Überschrift „Versuchte Abmahnung gegen Ansage:
„Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein.“
Dem Eilantrag auf Unterlassung dieser Äußerung hatte die Pressekammer im April 2023 entsprochen. Ein dagegen gerichteter Widerspruch des Antragsgegners blieb heute ohne Erfolg.
Das Gericht erklärte: Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin liege vor, wenngleich auch hier die Grenze der Schmähkritik noch nicht überschritten worden sei. Der Begriff „Transe“ sei umgangssprachlich abwertend und kein bloßes – vermeintlich neutrales – Kurzwort für eine transsexuelle Person. Die herabwürdigende Intention der Äußerung werde durch das Attribut „totalitär tickend“ verstärkt.
Die Aussagekomponente „zieht den Schwanz ein“ stelle außerdem unmissverständlich eine Assoziation zum männlichen Geschlechtsteil her und richte den Fokus auf die Frage seines (Nicht-)Vorhandenseins bei der Klägerin. Diese Hervorhebung habe keinen Sachbezug zu der vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Bei einer Gesamtwürdigung sei die Äußerung unzulässig.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Gegen sie kann noch Berufung bei dem Oberlandesgericht Frankfurt eingelegt werden.
Fazit:
Die Entscheidungen stellen zutreffend fest, dass die geschlechtliche Identität Teil der zu achtenden Persönlichkeit eines Menschen ist, aber nicht gleichzeitig jede darauf bezogene, abwertende Äußerung per se unzulässig ist. So bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungsäußerung und dem Persönlichkeitsrechtsverletzung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Äußerung, um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Transfrau festzustellen.
Die Beurteilungsaspekte hierbei sind grundsätzlich dieselben wie bei sonstigen verunglimpfenden oder herabwürdigenden Meinungsäußerungen außerhalb der geschlechtlichen Identität.
Insofern hat das Landgericht in jedem Fall versucht, dieser schwierigen und stets im Einzelfall zu diskutierenden Frage gerecht zu werden.
Festzuhalten bleibt, dass das Ergebnis in Verfahren wie diesen stets schwer vorherzusagen ist, was leider für sämtliche Verfahren im Bereich der Persönlichkeitsrechte gilt.