Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 08.05.2024 entscheiden, dass ein Fehlzitat auch dann vorliegen kann, wenn in einer Berichterstattung nur ein Satz eines Facebook-Posts zitiert wird, ohne auch den weiteren Kontext wiederzugeben, in dem der zitierte Satz steht. Eine an das Zitat anknüpfende Wertung der Aussage als „antisemitisch“ kann dagegen eine zulässige Meinungsäußerung sein.
Der Kläger ist stellvertretender Vorsitzender einer Partei und Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und wendet sich gegen Aussagen im Rahmen zweier Berichterstattungen der Beklagten mit Zitaten von ihm auf Facebook, welche in gekürzter Fassung wie folgt wiedergegeben wurden:
„Während man nur noch von Corona redet, hat man den wahren Virus im Nahen Osten vergessen: Israel“.
Der Kläger ist der Ansicht, die isolierte Darstellung diesen Zitats von ihm ohne den Kontext verfälsche seine Äußerung und sei allein deshalb zu verbieten. Außerdem stelle ihn die Berichterstattung als Antisemiten dar und verletze ihn in seinen Persönlichkeitsrechten.
Das OLG gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte auf Unterlassung der isolierten Darstellung des Zitats, da dieses die eigentliche Äußerung des Klägers verfälsche. Im Ursprungspost des Klägers habe die Äußerung im Kontext mit Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden. Durch das nicht gekennzeichnete Weglassen dieser Passage erhalte das Zitat eine andere Färbung und entspreche nicht mehr dem, was der Kläger tatsächlich gesagt habe. Mit der Bezeichnung Israels als „wahren Virus“ habe der Kläger Kritik an der Siedlungspolitik des israelischen Staats seit 1948 zum Ausdruck bringen wollen.
Nach Ansicht des OLG mache es einen Unterschied, ob eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Bevölkerung Israels geäußert wird, wie es die als Zitat des Klägers wiedergegebene Äußerung der Beklagten nahelege, oder ob hierfür ein sachlicher Bezug, nämlich die dortige Siedlungspolitik angeführt wird.
Das OLG Frankfurt wertet hingegen das Adjektiv „antisemitisch“ als zulässige Meinungsäußerung, da nicht der Kläger als Person als Antisemit bezeichnet werde, sondern konkret aufgeführte Äußerungen als antisemitisch. Die Beklagte habe diese Bewertung auf einen objektiv tatsächlichen Anknüpfungspunkt in Form des vorausgegangenen Posts des Klägers auf Facebook zurückführen können. Der Kläger habe den Staat Israel durch den Begriff „Virus“ mit einem Krankheitserreger gleichgesetzt, der – vergleichbar mit dem Corona-Virus – bekämpft und ausgerottet werden müsse. Bei Abwägung der involvierten Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass der Artikel einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstelle. Für die Öffentlichkeit seien sowohl die kleine Partei als Teil der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung als auch die von ihren Vertretern nach außen vertretenen Ansichten von wesentlichem Interesse.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH beantragen.
Fazit:
Das Urteil ist in Bezug auf das Weglassen des Kontextes vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BGH zu unwahren Tatsachenäußerungen zutreffend. So ist anerkannt, dass auch das Weglassen einer wesentlichen Information wie eine unrichtige Tatsachenbehauptung gewertet werden kann. Insofern ist es nur konsequent, wenn auch das Herausreißen eines Zitats aus dem Kontext der gesamten Äußerung ähnlich zu behandeln ist, zumal diese isolierte Darstellung außerhalb des Kontextes häufig für den Äußernden gefährlich ist.
Inwieweit eine Differenzierung zwischen eine Äußerung als „antisemitisch“ und dem Äußernden als „Antisemit“ hingegen überzeugt, darf bezweifelt werden, da die Äußerung nicht untrennbar neben dem Äußernden steht und daher auch auf ihn zurückfällt. Insofern ist allenfalls der politische Meinungskampf als rechtfertigender Grund für die Zulässigkeit einer solchen Äußerung heranzuführen.