EuGH definiert den Begriff der gewerblichen Tätigkeit näher

Die Vorgeschichte des am 4. Oktober 2018 vom EuGH entschiedenen Falls stammt aus der Stadt Varner in Bulgarien. Dort hatte eine Verkäuferin auf der Webseite www.olx.bg verschiedene Waren angeboten, darunter auch eine Uhr. Insgesamt hatte die Verkäuferin 8 Angebote auf der Webseite. Ein Verbraucher war der Auffassung, dass die von ihm erworbene Uhr nicht die Eigenschaften besitze, die in der auf dieser Webseite veröffentlichten Anzeige genannt worden waren und legte daraufhin bei der Kommission für Verbraucherschutz in Bulgarien (nachstehend KfV) eine Beschwerde ein, da es der Lieferant seinerseits abgelehnt hatte, die Uhr gegen Rückzahlung des Entgeltes zurückzunehmen. Die KfV stellte fest, dass die Beklagte, die Anbieterin aller 8 Angebote ist und jeweils unter einem Pseudonym in Erscheinung getreten ist. Die KfV stellte fest, dass die Beklagte eine Ordnungswidrigkeit begangen habe und verurteilte sie zu einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen verschiedene Vorschriften des bulgarischen Verbraucherschutzgesetzes. Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Klage vor dem Kreisgericht. Das Kreisgericht hob den fraglichen Bescheid der KfV mit der Begründung auf, dass die Verkäuferin keine Gewerbetreibende im Sinne der Vorschriften des bulgarischen Verbraucherschutzrechts und der Richtlinie 2005/29 sei.

Gegen dieses Urteil legte die KfV Kassationsbeschwerde zum Kreisgericht ein, das wiederum die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat.

Das Gericht präzisierte seine Vorlagefrage wie folgt:

Das Gericht möchte zum einen wissen, ob eine natürliche Person, die gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten werden, auf einer Webseite veröffentlicht als „Gewerbetreibende“ im Sinne von Artikel 2b der Richtlinie 2005/29 eingestuft werden kann und zum anderen, ob eine solche Tätigkeit eine Geschäftspraxis im Sinne von Artikel 2d dieser Richtlinie darstellt.

Der Europäische Gerichtshof gelangte zu der Auffassung, dass der Begriff „Gewerbetreibende“ im Sinne von Artikel 2b der Richtlinie 2005/29 jede natürliche oder juristische Person ist, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt. Dabei sieht der Europäische Gerichtshof in den Begriffen „Gewerbetreibende“ im Sinne des Artikels 2b der Richtlinie 2005/29 bzw. Unternehmer im Sinne von Artikel 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83, dass dies ein funktionaler Begriff sei, der impliziere eine Vertragsbeziehung oder Geschäftspraxis innerhalb der Tätigkeit könne sich ergeben, innerhalb derer eine Person im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht.

Bezogen auf den zu beurteilenden Fall hat der Europäische Gerichtshof angeordnet, dass der Fall wieder zurückverwiesen wird und zu prüfen ist, ob die Verkäufe über die Onlineplattform planmäßig erfolgten, ob mit diesem Verkauf Erwerbszwecke verfolgt wurden und ob die Verkäuferin über Informationen über technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihr zum Verkauf angebotenen Ware verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise verfügt, sodass dieser sich gegenüber dem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet.

Ferner sah der Europäische Gerichtshof als notwendige Prüfkriterien an, ob der Verkäufer in einer Rechtsform handelt, die ihm die Vornahme eines Handelsgeschäftes erlaubt und in welchem Ausmaß der Onlineverkauf mit der wirtschaftlichen Tätigkeit als Verkäufer zusammenhängt und ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist.

Dabei hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die zuvor aufgeführten Kriterien weder abschließend noch ausschließlich sind. Daraus folgt, dass der Umstand, dass ein oder mehrere Kriterien erfüllt sind für sich genommen noch nicht ausreicht, um schließlich zu beurteilen, ob der Onlineverkauf als Gewerbetreibender bzw. Unternehmer getätigt geworden ist.

Fazit:

Nach unserer Auffassung fällt die Rechtsprechung des EuGH im Vergleich zur bislang herrschenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs in Sachen Gewerblichkeit von Onlineverkäufen zurück. Während nach früherer Auffassung des Bundesgerichtshofs bei einer Anzahl von ca. 13 Verkaufsbewertungen innerhalb der letzten 4 Wochen bspw. auf der Internetplattform Ebay von einer Gewerblichkeit des Verkäufers auszugehen war oder aber bei der Eigenschaft eines „Powerseller“ bei Amazon, so ist die Eigenschaft der Gewerblichkeit nunmehr umfangreicher festzustellen. Insbesondere deshalb weil der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass sich nicht aus einem Merkmal alleine die Gewerblichkeit ergeben kann, sondern aus der Gesamtschau der aufgezeigten Kriterien.

Wir empfehlen daher bei Rechtsverletzungen eine genaue Dokumentation durch verschiedene Screenshots und Recherchen allgemeiner Art zu dem Verkäufer. Je mehr Indizien sich letzten Endes zusammentragen lassen, um die Eigenschaft des Gewerbetreibenden insgesamt zu belegen, desto effektiver dürfte künftig eine Rechtsdurchsetzung erfolgen können.

Neues Verbrauchervertragsrecht zum 13.06.2014 in Kraft getreten

Am 13.06.2014 ist das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) in Deutschland in Kraft getreten. Ziel der Richtlinie ist es, die Rechte der Verbraucher europaweit zu vereinheitlichen. Die Umsetzung der Richtlinie hat auch in Deutschland zu wichtigen Änderungen, insbesondere für den Fernabsatz und den Online-Handel, geführt.

Hier finden Sie fünf der wichtigsten Änderungen im Überblick: „Neues Verbrauchervertragsrecht zum 13.06.2014 in Kraft getreten“ weiterlesen

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