Tag für Tag nähern wir uns dem Brexit Ende März 2019. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kleinen Überblick darüber, welche Konsequenzen beim Brexit im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes voraussichtlich zu erwarten sind.
Zuerst drei wichtige Daten:
- 29. März 2019 – dies ist der Tag, an dem der Brexit seine Wirkung entfaltet. Großbritannien wird aus der EU ausgeschlossen. Es sei denn, Großbritannien entgegen allen Ankündigungen, bleibt doch in der EU.
- 31. Dezember 2020 – es ist geplant, dass sich das Vereinigte Königreich bis zu diesem Zeitpunkt in einer „Übergangsphase“ befindet, sofern diese nicht noch verlängert wird. Diesem Plan folgend soll Großbritannien für die Dauer der Übergangsphase im Wesentlichen noch im UM- und GGM-System integriert sein, obwohl die Einzelheiten dessen, was „in“ (ausgehend vom Englischen Text) bedeutet, noch zu klären sind. Die Übergangsfrist hängt in jedem Fall davon ab, dass vor dem 29. März 2019 (Brexit-Day) ein vollständiger Austrittsvertrag vereinbart und ratifiziert wird. Wenn das nicht geschieht, gibt es keine Übergangsfrist. Kein Wunder also, dass die FAZ am 2. August 2018 einen Artikel über die Londoner Börse veröffentlichte, die demnach Notfallpläne für einen kalten Brexit vorbereite . Es sollte aus Sicht der Inhaber von UM oder GGM kein kalter Brexit eintreten.
- 30. September 2021 – ist das wichtige Wiedereinreichungsdatum für Anmeldungen, die bis zum Ende der Übergangsfrist am 31.12.2020 noch anhängig sind.
Die Europäische Kommission hat am 19. März 2018 einen Entwurf des fast endgültig ausgehandelten Austrittsabkommens (TF50 (2018) 35 – Commission to EU27: Draft Withdrawal Agreement on the withdrawal of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland from the European Union and the European Atomic Energy Community) veröffentlicht, siehe (die grün markierten Bestimmungen sind bereits vereinbart, die anderen noch nicht). Der Entwurf enthält Bestimmungen zu den UM in Teil IV (Art. 50 bis 57) und in Teil X (Art. 82 f.) über die Zuständigkeit des EuGH und die Bindungswirkung von Entscheidungen der EU-Organe. Art. 53 decken die GGM ab.
Wichtig für Inhaber von UM und GGM sind im Wesentlichen die folgenden Bestimmungen: Gemäß Art. 50 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 des Entwurfs werden alle bis zum 31.12.2020 eingetragenen UM als nationale Marke für das Vereinigte Königreich sozusagen „geklont“. Dabei soll die gleiche Priorität wie die ursprüngliche UM und gegebenenfalls auch deren Zeitrang der neuen Britischen nationalen Marke eingeräumt werden. Gleiches soll entsprechend nach Art. 50 auch für GGM, Sortenschutzrechte und Geographische Herkunftsangaben gelten; über Letzteres besteht noch keine Einigung.
Der große Vorteil besteht darin, dass Rechteinhaber nach Ablauf der Übergangsfrist weiterhin eine eingetragene UM oder GGM haben. Es sollen also mit Ablauf des 31.12.2020 vollwertige (geklonte) Rechte auf nationaler Ebene im Vereinigten Königreich entstehen.
Für den Fall, dass am Ende der Übergangszeit am 31.12.2020 eine Europäische Eintragung angegriffen wird (z.B. wegen nicht rechtserhaltender Benutzung; absolute Eintragungshindernisse), wird das Recht in eine Marke oder ein Geschmacksmuster auf britischer Ebene aufgehen. Wenn es aber auf EU-Ebene fällt, fällt es auch auf britischer Ebene.
Art. 51 sieht vor – allerdings ist dies noch nicht vereinbart -, dass der Klonierungsprozess kostenlos und automatisch abläuft. Es entstünden daher keine weiteren Gebühren und kein weiterer Arbeitsaufwand für die Rechteinhaber.
Die Inhaber eines GGM finden positive Neuigkeiten in Art. 53. Nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechte werden in ein neues, noch nicht bestehendes Recht umgewandelt. Da das neue Recht das gleiche Schutzniveau wie das Stammrecht bieten muss, kann die Metamorphose nicht in ein Britisches, nicht eingetragenes Geschmacksmuster (UKUDR) erfolgen. Das UKUDR hat nämlich nicht das gleiche Schutzniveau wie das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Insoweit muss hier ein neues Recht auf Britischer Seite noch erschaffen werden.
Im Zeitpunkt 31.12.2020 anhängige Anträge auf Eintragung einer UM oder eines GGM werden nicht in britische Rechte automatisch umgewandelt. Es wird stattdessen eine neunmonatige Wiedereinreichungsfrist nach Ablauf der Übergangsfrist geben. Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, eine anhängige UM oder GGM bis zum 30. September 2021 erneut anzumelden, wenn der Inhaber des anhängigen Rechts das gleiche Prioritätsdatum wie die ursprüngliche EU-Anmeldung sicherstellen möchte.
Soweit ein Recht innerhalb der EU oder des Vereinigten Königreichs vor Ablauf der Übergangsfrist erschöpft ist, sollte es erschöpft bleiben, wie aus Art. 57 hervorgeht.
Angesichts der geringen Zuneigung Großbritanniens dem EuGH als letzter Rechtsprechungsinstanz unterworfen zu sein, ist es wenig verwunderlich, dass Art. 82 im Verhandlungsprozess noch keinen Konsens gefunden hat. Art. 82 sieht vor, dass der EuGH noch immer das letzte Wort haben soll, wenn er von einem Britischen Gericht um Auslegung des Gesetzes gebeten wird. Die zeitliche Grenze für diese Regelung soll das Ende der Übergangsphase sein (31.12.2020).
Schließlich sei auf Art. 50 Abs. 5 hingewiesen: Die Nichtbenutzung der Marke sollte keine Folgen für die umgestaltete britische Marke haben, solange die EU-Marke rechtserhaltend verwendet wird. Und sobald eine Marke in der EU als bekannte Marke anerkannt worden ist, sollte sie im Gebiet des Vereinigten Königreichs gleichfalls als solche behandelt werden. Hierbei soll sich Art. 50 Abs. 5 c) vermutlich nur auf solche Marken beziehen, die bis zum Ende der Übergangszeit als bekannte Marke Geltung erlangt haben. Eine weitere Ausdehnung erschiene angesichts der Privilegierung in Bezug auf den Schutzbereich nicht angemessen.
Fazit:
Wenn die von der Europäischen Kommission veröffentlichte Regelung zustande kommt, dann besteht für Unionsmarken- und Gemeinschaftsgeschmacksmusterinhaber (und andere Inhaber von IP Rechten) grundsätzlich ein gut funktionierendes System, um Ihre Waren/Dienstleistungen oder Muster weiterhin in Großbritannien geschützt zu wissen. Obwohl sicherlich einige Fragen unbeantwortet bleiben und in langwierigen Auseinandersetzungen vor dem EuGH gelöst werden müssen, ist die entscheidende Frage: Werden wir einen kalten Brexit haben oder wird die Britische Regierung eine vollständige Einigung erzielen und einen Austrittsvertrag in seiner Gesamtheit bis zum 29. März 2019 ratifizieren können? Der schlimmste Fall wäre aus Sicht der Rechtinhaber, dass ab dem 29. März 2019 alle EU-Rechte im Vereinigten Königreich keine Wirkung mehr entfalten. Das würde für UM, für eingetragene GGM und auch für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gelten. Soweit das von der Europäischen Kommission veröffentlichte Draft Withdrawal Agreement auch Sortenschutzrechte und Geographische Herkunftsangaben umfasst, würden bei mangelnder Ratifizierung auch diese keine Wirkung im Vereinigten Königreich entfalten.
Was Rechteinhaber tun sollten:
- Überprüfen Sie, ob die Mutter-Gemeinschaftsmarke am Brexit-Tag (und danach) verlängert werden muss, dann wird auch das verwandelte Recht zur Erneuerung fällig.
- Überprüfen Sie Ihre beantragten Rechte im Vorgriff auf die Übergangszeit/Wiedereinreichungsfrist. Wann wird der Eintragungsprozess voraussichtlich abgeschlossen sein?
- Behalten Sie Ihr Portfolio im Auge! Denn, angenommen das von der Kommission veröffentlichte Withdrawal Agreement tritt mit den o.g. Vorschriften in Karft, am nächsten Tag mutieren ihre bspw. 50 UM und 5 UKTM zeitgleich in 50 UMs und 55 UKTMs.