EuGH: Haftung von Amazon jetzt für Markenverletzungen der Marketplace-Händler?

Der EuGH hat mit Urteil vom 22.12.2022 entschieden, dass Amazon auch für fremde Markenverletzungen haftet, wenn eine einheitliche Präsentation der Angebote von Händlern und Amazon selbst vorliege, Amazon Dienstleistungen in Form der Bearbeitung von Nutzerfragen zu Waren von Drittanbietern oder Lagerung, Versand und Abwicklung des Rückversands übernehme und Listen wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“ ohne Unterscheidung der eigenen Angebote von Amazon sowie der Händlerangebote erstellt werden.

Der Kläger war französischer Designer von Luxusschuhen und -handtaschen und ging aus der EU-Marke an „Louboutin-Schuhen“ gegen Amazon vor, da auf der Plattform von Amazon sowohl Angebote von Marketplace-Verkäufern als auch von Amazon selbst erschienen, welche einheitlich präsentiert wurden. In allen Anzeigen erschien das „Amazon-Logo“. Hinzu kam, dass Amazon auch für die Angebote der Händler die Lagerung und den Versand der Plagiate übernahm.

Der EuGH nahm eine Haftung Amazons mit der Begründung an, dass sich Amazon die Markenverletzungen von Drittanbietern zurechnen lassen müsse. Als Grund führte der EuGH auf, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer der Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen von Amazon und der verletzen Marke herstelle. Hierfür müsse er davon ausgehen, dass Amazon das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutze. Entstehe für einen solchen Nutzer der Eindruck, dass der Plattformbetreiber derjenige ist, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung auch die von Dritten zum Verkauf angebotenen Waren vertreibt, liege eine Zeichennutzung durch Amazon mit der Folge nahe, dass Amazon auch für die Markenverletzung der Händler hafte.

Entscheidend sei eine umfassende Einzelfallprüfung der Frage, ob die Ausgestaltung der konkreten Anzeige klar erkennen lasse, dass es sich um ein Angebot eines Drittanbieters handelt. Hierbei seien folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Einheitliche Präsentation sämtlicher Angebote von Händlern und Amazon
  • Einblenden von eigenen Anzeigen zusammen mit Anzeigen von Drittanbietern
  • Verwendung des eigenen Logos „als renommierter Vertreiber“ sowohl auf der Plattform selbst als auch bei allen in Frage stehenden Angeboten
  • Dienstleistungen von Amazon in Form der Bearbeitung von Nutzerfragen zu Waren von Drittanbietern oder Lagerung, Versand und Abwicklung des Rückversands
  • Erstellung von Listen wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“, die ohne Unterscheidung sowohl eigene als auch Drittangebote erfassen.

Fazit:

Die Entscheidung ist hochgradig praxisrelevant und nicht nur für das Markenrecht, da nicht ersichtlich ist, warum die vorstehende Entscheidung nicht auch auf  das Designrecht angewendet werden wollte.

In der Vergangenheit führte die Haftungsprivilegierung von Amazon dazu, dass ein Vorgehen gegen den Plattformbetreiber selbst nicht möglich war. Hier waren die Markeninhaber auf eine Information im Wege des „notice-and-take-downs“-Verfahrens gegenüber Amazon beschränkt mit der Möglichkeit, Unterlassungsansprüche im Falle der Weigerung gegen Amazon gelend zu machen. Schadenersatzansprüche gegenüber Amazon selbst waren nicht möglich, auch wenn Amazon die komplette Abwicklung des Versandes und der Lagerung vornahm. Dies hatte noch das OLG München in einer Entscheidung vom 29.09.2016 bestätigt.

Der EuGH hat nun die Tür aufgestoßen und die Möglichkeit eröffnet, dass Plattformbetreiber selbst zum Markenverletzer werden, obwohl die rechtsverletzenden Angebote von Dritten stammen. Dies gilt nach der Entscheidung des EuGHs nur für Plattformen, die nicht nur Dritten den Vertrieb ermöglichen, sondern auch selbst Waren auf eigene Rechnung vertreiben, was zum Beispiel bei eBay nicht der Fall ist.

Für Markeninhaber bietet sich danach nicht nur die Möglichkeit Amazon unabhängig von der Kenntnis über Rechtsverletzungen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, sondern auch Ansprüche auf Schadenersatz geltend zu machen, was bei der Vielzahl der ausländischen Anbieter aus Asien ein effektiver und nachhaltiger Weg sein könnte, gegen Markenrechtsverletzungen vorzugehen.

Entscheidend ist, ob ein Amazon Nutzer eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen von Amazon und dem Händler der verletzenden Produkte herstellt. Nach den Ausführungen des Gerichts hängt dies von der einheitlichen Präsentation der Waren ab, die Amazon im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt und den Waren der Marketplace-Händler. Dies dürfte in den meisten Fälle aufgrund der Systematik der Präsentation der Angebote auf Amazon erfüllt sein. Sollte dann Amazon noch die Lagerung und den Versand der Händler übernehmen, spricht einiges für eine Verantwortlichkeit von Amazon für die Drittangebote.

Dies ist auch interessengerecht, da Amazon erhebliche Profite mit den Angeboten der Händler erzielt und durch die Übernahme der Verpackung, Lagerung und des Versandes nicht nur einen Werbeeffekt für die eigene Plattform erzielt und die Rechtsverletzung weiter vertieft, sondern auch ihre neutrale Vermittlerposition als Plattformbetreiberin verlässt und damit einen wesentlichen Beitrag zu der Verbreitung von rechtsverletzenden Produkten leistet, so dass die Mittäterschaft an der Markenrechtsverletzung berechtigt ist.

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