Schmerzensgeldanspruch bei unrichtigen Behauptungen der Staatsanwaltschaft über ein Ermittlungsverfahren
Das LG Wiesbaden hat mit Urteil vom 03. Juni 2015 das Land Hessen zu einer Zahlung von € 15.000,00 Schmerzensgeld aufgrund verschiedener unrichtiger Presseberichte der Staatsanwaltschaft über ein laufendes Ermittlungsverfahren verurteilt.
Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen der Staatsanwaltschaft gegenüber der Presse über einen Zeitraum von 2 Jahren, welche zum Teil unrichtig waren und zum Teil auch die Grundsätze eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens verletzt haben. Die Äußerungen seitens der Staatsanwaltschaft erfolgten über den Beschuldigten und späteren Kläger des Schmerzensgeldanspruchs aufgrund seiner Persönlichkeitsverletzungen, der die Position des Verwaltungsratspräsidenten und des Geschäftsführers in verschiedenen Unternehmen inne hat-te, rehabilitierter Ökonom ist und Inhaber eines Lehrstuhls in den Zeiträumen 2006 – 2009 und zudem Dekan in der Zeit von Mitte 2009 – Anfang 2011 war.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden leitete Anfang des Jahres 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue ein, wobei im Mittelpunkt der Ermittlungen angebliche Scheinrechnungen standen, deren angeblich keine tatsächlich erbrachten Gegenleistungen gegenüber standen. Im Rahmen dieser Ermittlungsverfahren kam es auch zur Festnahme aufgrund eines Haftbefehls wegen angeblicher Beeinträchtigungen von Zeugen, dessen Vollzug nach einer Anhörung einer Zeugin unter Auflagen ausgesetzt wurde. Im Laufe der anhaltenden Ermittlungen änderte die Staatsanwaltschaft ihre ursprüngliche Beschuldigung von der Ausstellung von Scheinrechnungen hin zu Beratungsleistungen pro Bono, bei welchen trotz mangelndem Zahlungsanspruch ein Ausgleich der Rechnung stattgefunden habe. Nach einer erstmaligen Anhörung mit Januar 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Haftbefehls. Unmittelbar im Nachgang berichteten verschiedene Zeitungen mit entsprechenden Zitaten des Oberstaatsanwaltes der Stadt Wiesbaden von einer tatsächlich nicht vorliegenden angeblichen neuen Anzeige wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelten sowie über die versuchte massive Beeinflussung von Zeugen durch den Beschuldigten.
Auf die gegenüber dem veröffentlichten Verlag ergangene einstweilige Verfügung mit der Untersagung entsprechender unwahrer Tatsachenberichte räumte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ein, dass offenbar fehlerhafte Informationen an die Medien weitergegeben worden seien. Im Weiteren wurden immer wieder in den Medien Informationen durch die Staatsanwaltschaft Wiesbaden über eine Ausdehnung des Ermittlungsverfahrens berichtet.
Auf die Aufforderung zur Unterlassung entsprechender Äußerungen verwies die Staatsanwaltschaft auf die angeblich inhaltliche Richtigkeit ihrer Informationen nach gegenwärtigen und vorläufigen Erkenntnisstand. Über die zweite Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Untreue wurden die Strafverteidiger des Klägers knapp einen Monat nach den ersten Veröffentlichungen in den Medien zu diesem Ermittlungsverfahren informiert.
Der Kläger ist im Rahmen seines Schmerzensgeldverfahrens nunmehr der Ansicht, dass durch die fortgesetzte unrichtige Berichterstattung, teilweise unter Verletzung von rechts-staatlichen Grundsätzen ihm ein Schmerzensgeldanspruch in einer 6stelligen Größenordnung zustehe, da er durch die unrichtigen Äußerungen der Staatsanwaltschaft nicht nur die Ämter als Präsident des Verwaltungsbeirats sowie weitere Verwaltungsratsmandate verschiedener Tochtergesellschaften habe aufgeben müssen, sondern auch vor diesem Hintergrund als Geschäftsführer abberufen und entlassen worden sei. Insgesamt verlangte er eine Schmerzensgeldzahlung durch das Land Hessen von mindestens € 155.000,00.
Das Landgericht hat im Rahmen des Erkenntnisverfahrens verschiedene Äußerungen als unrichtig festgestellt und hierdurch eine schwere und anhaltende Persönlichkeitsrechtsver-letzung des Klägers bejaht, die nicht durch die presserechtlichen Instrumentarien eines Widerrufs zu kompensieren sei und dementsprechend schmerzensgeldpflichtig. Allerdings hat das LG trotz der dargelegten Einkommensverluste in 6stelliger Größenordnung für die ein-zelnen Äußerungen lediglich einen Schmerzensgeldanspruch zwischen 2.000,00 und 5.000,00 € bejaht, wobei es in der Gesamtsumme auf 15.000,00 € hinaus lief. Grund hierfür war, dass nach Ansicht des LG die Ursächlichkeit zwischen den persönlichkeitsverletzenden Äußerungen und dem Einkommensverlust in Folge der Abberufung als Geschäftsführer und Kündigung fehle. Vielmehr seien diese negativen Folgen insgesamt nicht auf die unrichtigen Äußerungen der Staatsanwaltschaft, sondern auf das Bekanntwerden der Ermittlungsverfahren zurückzuführen.
Fazit:
Die Problematik der Weitergabe von zum Teil auch unrichtigen Informationen durch die Staatsanwaltschaft an die Medien tritt immer wieder auf. Insofern ist umso wichtiger, zeitnah gegenüber den berichtenden Medien mit dem presserechtlichen Instrumentarium der Unterlassung, des Widerrufs und der Gegendarstellung zu arbeiten. Das vorliegende Verfahren hat erneut gezeigt, dass Unterlassungsaufforderungen gegenüber den Staatsanwaltschaften nicht fruchten und auch etwaige Amtshaftungsansprüche im Rahmen der Größenordnung der verurteilten Schadenersatzsummen bei der Anzahl und des Zeitraums von unrichtigen Berichten ausgehend von der Staatsanwaltschaft kein wirkliches Hilfsmittel sind.